Das Jahr 2018 neigt sich dem Ende zu. Es war nicht mein bestes Jahr. Immerhin ist viel passiert. Ich möchte in dem Beitrag aber keine Verlaufsgeschichte schreiben, sondern meinen Rückblick auf wichtige Erkenntnisse fokussieren. Details findet ihr in meinem ersten Post oder in der Kategorie „Meine Geschichte“. Der wichtigste Aspekt in diesem Jahr war natürlich mein Kampf gegen den Hodenkrebs. Dieser Kampf gegen die Verräterzellen begann am 11. Januar mit inneren Blutungen und hat sich in Form von Chemotherapie und Operationen bis Juni hingezogen. Die Nebenwirkungen spüre ich noch heute. Aber keine Sorge. Ich gehen davon aus, dass ich geheilt und körperlich relativ fit bin. Für den Beitrag habe ich drei Episoden ausgewählt, um rückblickend verschiedene Erfahrungen zu behandeln. Es geht um Leiden, Reflexion und Taten.
Vorweg möchte ich allen danken, die mich in dieser Zeit unterstützt haben, egal ob Familie, Freunde, Ärzte oder einfach Bekannte. Jede Nachricht, Unterhaltung oder Besuch waren und sind sinnvoll.
Krankenhäuser: Das Essen ist Scheiße.
Nachdem ich Anfang Januar fast gestorben wäre, standen zwei Operationen und vier Zyklen Chemotherapie in Berlin-Mitte an. Die Charité war das Krankenhaus der Wahl und ich bereue die Entscheidung nicht. Die Ärzte waren gut und die Schwestern noch besser. Trotzdem war es kein Spaß. Am Ende der Chemo kam ich mir vor wie ein 70-Jähriger und war ziemlich fertig. Die Behandlung war hart, aber machbar. Mein Körper hat in den über sieben Wochen Krankenhausaufenthalt stark abgebaut und ich habe neun Kilo verloren. Dafür hatte ich Glück. Während der Chemo kam es zu keinen Komplikationen. Deshalb musste ich nur durchhalten und das Essen im Krankenhaus ertragen. Falsch: Ich habe das Essen natürlich abbestellt und mich von Pizza ernährt. Prioritäten müssen sein und ich konnte Pizza sogar besser vertragen.
Was hat mich am meisten geprägt? Die Erfahrung der totalen Schwäche mit 36 Jahren, ausgelöst durch die Chemotherapie und meinen Bauchschnitt, der einen doch für eine Zeit sehr stark einschränkt. Ich war auf andere Menschen angewiesen und musste erfahren, wie es ist, wenn man nach Treppensteigen total fertig ist. Zudem hatte ich sehr viel Zeit für mich alleine und konnte nachdenken. Die Gedanken waren nicht immer sinnvoll und haben sich oft im Kreis gedreht. Das Chemobrain ist nicht immer klar. Daher waren die Gedanken geprägt von Ängsten (Wird der Krebs zurückkommen, wie geht es in meinem Beruf und Leben weiter), aber auch Fragen an mich selbst: was und wer sind mir wichtig. Das Leiden während der Behandlung hat einen Wandlungsprozess in mir begonnen.
Reha: Entspannung und neue Freunde treffen.
Nach der Behandlungen standen ab August mein Urlaub in Dänemark und die Reha in Bad Oexen vor der Tür. Beide Ausflüge boten Gelegenheit, meinen Körper wieder in Form zu bekommen und die Erfahrungen aus der ersten Jahreshälfte zu reflektieren. Dänemark war ein sehr erholsamer Urlaub und ich kann Esmark jedem der Ausspannen (oder Kit-Surfen) will nur empfehlen. Die Dänen sind ein sympathischer und relaxter Menschenschlag. Ich bin viel in den Dünen spazieren gegangen und habe einfach auf das Meer geblickt. Zusammen mit einem befreundeten Pärchen haben wir in einem Ferienhaus gewohnt, gegrillt und waren im Lego House (lohnt sich!). Trotzdem habe ich noch nicht so viel Sport gemacht und mit dem Alkohol aufgepasst, weil ich meinen Körper nicht überfordern wollte. Er hat mir noch deutlich die Grenzen aufgezeigt. Es ging mir um Erholung von dem Scheiß vorher.
Gleich danach stand die Reha an. In dem dreiwöchigen Reha-Aufenthalt habe ich gemerkt, dass ich nicht vorsichtig sein muss und der Körper einfach nur einen Arschtritt braucht. In Bad Oexen standen täglich mindestens fünf Stunden Sport auf dem Programm. Diese Einheiten haben Wirkungen gezeigt. Ich kam wie ein muskelbepacktes Monster aus der Reha zurück und habe meine Ernährung umgestellt, weil ich zum Vegetarier wurde. Okay, stimmt nicht. Ich habe nur zwei Stunden pro Tag Sport betrieben. Dafür habe ich Abends Pizza bestellt und hatte sehr viel Spaß mit den anderen Krebsspastis vor Ort. Die Gemeinsamen Stunden mit den anderen Patienten waren eigentlich das Beste. Wir konnten Erfahrungen austauschen und endlich Mal wieder richtig Lachen.
Daraus haben sich einige Freundschaften Entwickelt. Daher gehen Grüße an Katrin, Basti, Ivi, Tina aber auch die anderen netten Oexengang-Mitglieder. Euch allen viel Gesundheit und an die, die noch kämpfen: Ihr müsst gegen die Verräterzellen gewinnen, weil sonst ist eh alles im Arsch! Meine Unterstützung habt ihr. Tina Keep Kicking Cancers Ass!
Durch diese Menschen wurden mir zwei Sachen nochmal richtig vor Augen gehalten: 1. Lachen macht wirklich Spaß und 2. Familie und enge Freunde retten einem zwar nicht das Leben, aber sie sind eine gute Motivation und unverzichtbar.
Alltag: Es geht weiter.
Nun kommen wir zu den Taten oder der „Lehre aus der Gschicht“. Seit September bin ich wieder im Alltag angekommen und gehe meiner Arbeit nach. Ich habe in letzter Zeit oft darüber geschrieben, wie ich mit den mentalen Nachwirkungen des Erlebten umgehe. Eine Konstante war die „Entfremdung“, die ich oftmals verspüre. Außerdem bin ich manchmal müde und ein wenig antriebslos. Das letzte Jahr war einfach anstrengend und der Kampf hat viel Kraft gekostet. Dadurch haben alltägliche oder arbeitsweltliche Dinge keine so große Rolle gespielt oder mir weniger Spaß gemacht (z.B. das Computerspielen). Ich kann euch aber versichern, dass mein Befinden besser wird. Das normale Leben bricht mit zeitlicher Distanz zur Behandlung immer mehr durch. Trotzdem habe ich mich verändert und sehe das Leben anders. Außerdem reicht es so langsam mit der Langeweile. Immerhin habe ich dieses Jahr den Fucking Krebs in die Fresse geschlagen und besiegt:
Ich arbeite nur noch 4 Tage die Woche und mache mehr mit Menschen. Ich möchte anderen Krebspatienten helfen. Daher engagiere ich mich bei der Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. Gleichzeitig habe ich mir persönliche Prioritäten gesteckt: Ich nehme die Familie ernster und will neue, spannende Menschen kennen lernen. Außerdem ist es mir sehr viel wichtiger zu lachen. Das Leben und nicht die Arbeit stehen im Fokus.
Tragischer Nachtrag: Nachdem ich gestern auf der Waage war, müssen wohl auch Sport und Ernährung auf die Prio-Liste mit aufgenommen werden. Ich bin schockiert. Natürlich hält mich das nicht davon ab, auch weiterhin Pizza und Burger zu essen! Und ich muss mal wieder Sushi essen gehen 🙂
Ich hoffe ihr konntet ein wenig Schmunzeln und euer Jahr war besser! Bzw. 2019 kommt ja auch irgendwann.
Guten Rutsch und bissl Action!
1 Gedanke zu „Mein persönlicher Rückblick auf ein Scheißjahr: 2018!“