Rückblick: 6 Monate Hodenkrebs-Behandlung

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Heute ist Sonntag, der 29.07.2018, und ich schwitze. Wir allen schwitzen. Das macht das Leben nicht schlechter, nur langsamer und gemütlicher. Daher wollte ich heute einen kurzen Rückblick auf meine letzten sechs Monate geben. Sie waren geprägt durch die Entdeckung des Hodenkrebses

Hodenkrebs – was ist passiert?

Zur Einführung gibt es noch einmal die wichtigsten Fakten. Eine ausführliche Einleitung findet ihr unter meinem ersten Hodenkrebs-Beitrag und alle Beiträge unter Meine Geschichte.

In der zweiten Januarwoche 2018 hat alles begonnen. Ich war dreimal wegen Bauch- und Beckenschmerzen in der Notaufnahme. Beim dritten Krankenhausbesuch kam heraus, dass ich 1,5 Liter Blut im Bauch hatte. Die Ursache war ein Bauchhoden. Wobei ich davon ausging, dass dieser als Kind entfernt worden war. Nach einer Notoperation wurde das Gewebe auf Krebs untersucht. Der Test war positiv. Ich hatte Hodenkrebs im Stadium IIb.

Danach folgten von Februar bis Mai vier Zyklen PEB-Chemotherapie. Dies war die maximale Dosis für Hodenkrebs in der ersten Behandlungsrichtlinie, weil ich sehr hohe Tumormarker und eine seltene, aggressive Unterform hatte (90% Chorionkarzinom). Nach der ersten Kontrolle Anfang Juli stellte sich dann heraus, dass noch 2cm undefinierbarer Tumor in mir waren. Daher haben wir aus Sicherheitsgründen eine große Operation mit Bauchschnitt, eine sogenannte RLA (= Retroperitoneale Lymphadenektomie), gemacht.  Damit hatte ich seit Januar 2018 zwei größere Bauchoperationen, eine Chemotherapie und insgesamt 7 Wochen Krankenhausaufenthalt hinter mich gebracht.

Ist der Hodenkrebs jetzt besiegt?

Kurzfassung: Ja, es sieht gut aus.

Langfassung: Seit der Chemotherapie sind meine Tumormarker im Normbereich. Bisher gab es in keiner Bildgebung Hinweise auf Metastasen. Außerdem war der Pathologiebefund nach meiner Operation negativ, sprich es wurde kein Krebs gefunden. Daher gehe ich davon aus, dass ich kebsfrei bin. Die Verräterzellen wurden besiegt. Natürlich kann immer auch in Zukunft was passieren, aber ich werde relativ engmaschig überwacht und werde auf der Hut sein!

Wie habe ich die Behandlung erlebt?

Die Behandlungen (zwei Operationen und Chemotherapie) waren anstrengend, aber machbar. Ich habe keine echten Komplikationen erlebt und konnte auch mit dem Schmerz halbwegs umgehen. Obwohl ich kein Indianer bin, habe ich den Wundschmerz nach den Operationen nicht als teuflisch empfunden. Der Schmerz wurde durch geeignete Schmerzmittel erträglich. Gemerkt habe ich natürlich trotzdem etwas. Tatsächlich bin ich auch 5 Wochen nach meinem Bauchschnitt noch nicht schmerzfrei. Die Regeneration meines Körpers braucht doch ein wenig länger als gedacht.

Am prägendsten waren jedoch die vier Zyklen Chemotherapie. Gerade in den letzten zwei Zyklen verwandelte ich mich immer mehr zu einem Zombie, der schwächer und schwächer wurde. Es war für mich ein komisches Gefühl, zehn Stunden an einem Tropf zu hängen und gefährliche Giftstoffe in mich hineinzupumpen zu sehen. Gleichzeit haben die Zytostatika (= Chemomittel) meine Blutbildung angegriffen und mein Immunsystem geschwächt. Zum Glück wurde ich nicht krank. Trotzdem musste ich mehrmals für ein paar Tage auf ein Einzelzimmer im Krankenhaus. Auch sind die typischen Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Erbrechen an mir vorbeigezogen, weil es heutzutage sehr gute Medikamente dagegen gibt (Zofran). Die Zeit war  mehr eine psychische Herausforderung und zeichnete sich gar nicht so stark durch körperliche Symptome wie Schmerzen aus. Stattdessen kam ich mir vor wie ein 70-Jähriger. Deshalb will ich im nächsten Punkt auch noch auf meine Gefühlswelt während dieser Zeit eingehen.

Wie habe ich mich dabei gefühlt?

Zunächst kam der Schock meiner Krebsdiagnose. Dieser Schock hat zwei Aspekte ausgelöst: 1. Wollte ich möglichst schnell wissen, ob ich in Gefahr war. Ich habe daher verschiedene Ärzte aufgesucht und Meinungen eingeholt. Das hat eigentlich relativ gut geklappt, weil es im Internet und auch in Berlin gut strukturierte Angebote für Krebspatienten gibt. 2. habe ich das Vertrauen in meinen Körper verloren. Schon vorher war ich Hypochonder, aber die innere Blutung hat mir gezeigt: Du kannst wirklich sterben. Diese Erfahrung wirkt seitdem wie ein kleines Trauma und jedesmal wenn ich nachts Bauchschmerzen habe, kontrolliere ich alles genau und überlege, ob ich nicht in die Notaufnahme fahre.

Die Chemotherapie und auch die letzte Operation haben hingegen nochmal andere Erfahrungen und Gefühle ausgelöst: Ungewissheit und Ungeduld haben oftmals meine Gefühlslage dominiert. Durch die Schwäche und die langen Regenrationszeiten wusste ich einfach nie genau, wann ich wieder fit bin. Auch Ärzte haben keine echte Antwort auf diese Frage, weil einige Nachwirkungen der Chemo für immer anhalten können, aber nicht müssen. Zum Beispiel kann ich noch heute keinen Sport treiben. Ich bin aber sehr optimistisch, dass es nach der Reha deutlich besser sein wird. Zeit ist oftmals der beste Verbündete.

Am wichtigsten waren aber folgende Gedanken: Ich wurde durch die Krankheit völlig auf mich selbst zurückgeworfen. Meine Gesundheit und die eigenen Gefühle wurden zum Fixpunkt. Ich hatte soviel Zeit für mich, dass es sogar manchmal anstrengend war und ich kaum neue Gedanken fassen konnte. Mein Kopf dreht sich immer wieder um die gleichen Themen. Gleichzeitig wurde ich aber auch aufmerksamer für die Kleinigkeiten im Alltag und habe versucht mein Leben zu überdenken. Dies mag nicht immer Früchte tragen, aber ich werde versuchen soziale Beziehungen wieder ernster zu nehmen und stärker darauf zu achten was ich vom Leben will. Abschließend muss ich sagen, dass ich in dieser Situation der Gefahr nicht nur etwas über mich, sondern auch über meine Mitmenschen gelernt habe. Das heißt, ich habe durchaus auch viele positive Erfahrungen in dieser Zeit gemacht. Das hat mich gefreut.

Tipps & Tricks für Krebspatienten

An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Absatz für Krebspatienten einbauen. Diese Leitlinien haben mir geholfen:

  1. Informiert euch über die Krankheit und seid ein mündiger Patient. Ihr müsst weitreichende Entscheidungen über euren Körper treffen, deshalb holt euch Rat. Ich habe versucht einige Hilfsangebote aufzulisten.
  2. Sucht euch ein Unterstützungsteam an Freunden und Bekannten. Auch wenn Krebs heilbar ist, wird es ein langer und schwieriger Kampf.
  3. Begegnet dem Krebs, so wie ihr es für richtig haltet. Optimistisch sein ist sinnvoll, aber wenn ihr Angst habt, lasst die Ängste auch zu. Wenn ihr nicht an Krebs denken wollt, dann denkt nicht an den Krebs und lenkt euch ab. Ihr seid nur euch selbst Rechenschaft schuldig.

Danke

Zuletzt möchte ich hier nochmal jedem Danken: Allen Ärzten, Krankenschwestern, meiner Familie, meinen Freunden und Bekannten und auch den Angestellten meiner Krankenkasse. Oft waren es nur wenige Worte oder kleine Sachen, aber mich hat die Zusprache und auch Hilfe immer wieder gefreut. Auch wenn jeder seine eigenen Entscheidungen treffen muss, verlasst euch nicht nur auf euch. Es gibt auch andere Menschen die euch helfen. Nehmt die Hilfe an.

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