Was passiert in der RLA-Operation? Und was sind die Folgen einer Retroperitoneale Lymphadenektomie – Erfahrungen eine Hodenkrebspatient

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Ich habe meinen Krebsblog in zwei Bereiche aufgeteilt:

Dir steht eine RLA Operation bevor und du hast Sorgen? Diese Seite dient aus der Patientenperspektive als Informationsartikel über die retroperitoneale Lymphadenektomie Operation (RLA) umgebaut. Ich will dir die Abläufe, Komplikationen und Nachwirkungen der Operation näherbringen.

Meine RLA Operation wurde am 22.06.2018 in der Charité Mittein Berlin durchgeführt. Aus dieser Erfahrung und durch den Austausch mit anderen Hodenkrebspatienten, habe ich diesen Artikel geschrieben.

Warum ist eine RLA-Operation nötig?

Die RLA-Operation wird eingesetzt, um von Hodenkrebs befallene Lymphknoten und Bauchgewebe zu entfernen.

Dieser Fall kommt Zustande, wenn der Hodenkrebs durch den Samenstrang oder den Skrotum (Hodensack) die Gefäße befallen hat. Das ist eine sogenannte Infiltration.

Die Operation ist oft dritte Schritt nach einer Hodenentfernung und der PEB-Chemotherapie. Trotzdem brauchen nicht viele Patienten dieser Operation. Sie wird nur dann nötig, wenn vor und nach der Chemotherapie verdächtige (über 1 cm) Lymphknoten im MRT für den Bauchraum auftauchen und diese in der Nachsorge sogar anwachsen. Dazu wird etwa 6 Wochen nach der Chemotherapie ein Kontroll-MRT oder CT gemacht. 

Zum Hintergrund: Wenn der Hodenkrebs über den Samenstrang in den Bauchraum eingefallen ist, verbreitet er sich oft über die Lymphbahn und -knoten. Daher müssen befallene Knoten rausoperiert werden, wenn die Chemo sie nicht verkleinert hat.

Es kommt oft vor, dass die Operation vollzogen wird, aber der Krebs nicht mehr aktiv ist. Das habe ich schon bei vielen Patienten, die mir geschrieben haben erlebt.

Leider kann man das vorher nicht wirklich sagen. Erst die Biopsie nach der Operation zeigt das ganze Bild. Bei mir waren die Krebszellen nach der Chemo tot. Allerdings war das Gewebe noch nicht abgebaut und die Stelle erschien daher aufm MRT größer.

Die RLA-Operation ist ein Spezialfall der Residualtumorresektion. Die Begriffe werden bei Laien oft ähnlich verwendet. Das Ziel ist es, nach der PEB-Chemo alle Tumorreste operativ zu entfernen. 

RLA-Operation machen, ja oder nein?

Mittlerweile kenne ich mindestens 10 Leute persönlich, die diese Operation hinter sich gebracht haben und bei allen war kein aktiver Krebs mehr vorhanden. Natürlich ist das keine Garantie. Es soll aber zeigen, dass die Chemo auch bei vergrößerten Lymphknoten relativ gut wirkt. 

Oft stellt sich die Frage: Soll ich die OP überhaupt machen, wenn das Ergebnis unklar ist? Immerhin geht es um einen großen Bauchschnitt und es werden Lymphknoten entnommen. Das dieser Prozess nicht ideal für die Bauchregion ist, sollte klar sein. 

Meine Anwort lautet: Hole dir mindestens eine Zweitmeinung ein und sprich auch ausführlich mit den Radiologen. Am Ende ist es dein Körper und du entscheidet. Das stärkste Argument für eine Operation ist, dass die RLA-Operation in der Regel nicht sehr gefährlich ist und wenn noch aktiver Krebs vorhanden ist, willst du das wissen. Trotzdem kann es Nachwirkungen geben und ich will nicht dem Messer das Wort reden. 

Wie verläuft die RLA-Operation (Retroperitoneale Lymphadenektomie)?

In der Retroperitoneale Lymphadenektomie wird mein Bauch aufgeschnitten und meine 2cm große Raumforderung, sowie ein paar Lymphknoten herausgeholt.

Operationsgebiet bei einer rechtsseitigen und linksseitigen retroperitonealen Lymphadenektomie
Operationsgebiet bei einer rechtsseitigen und linksseitigen retroperitonealen Lymphadenektomie

Die Ärzte entfernen Lymphknoten in dem Bereich, weil sich die Krebszellen in diesen oft einnisten. Deshalb sind vergrößerte Lymphknoten (größer als 1 cm) immer suspekt und werden rausgeschnitten. Die Ärzte schauen vor der Operation genau die Bilder des MRTs an, ob sie etwas übersehen haben.

Ansonsten wird in der Operation entschieden, wie viele Lymphknoten entfernt werden müssen. Dabei werden während der OP Gewebeproben entnommen und Schnelltests gemacht. Informationen findet ihr im Urologielehrbuch.

Meine Hoffnung war natürlich, dass sie möglichst keine aktiven Krebszellen finden. Wenn die Operateure nichts finden, müssen sie nämlich die Wunde nicht so groß aufschneiden und die Wundheilung wird weniger problematisch. Gleichzeitig bedeutet das, dass in mir kein/kaum Verräterzellen vorhanden sind. Das wäre gut!

Offener Bauchschnitt oder minimalinvasive Variante?

Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Operation: der offene Bauchschnitt und die Roboter-assistierte Operation mit dem DaVinci-Roboter. Die zweite Variante ist minimalinvasiv und ihr braucht keinen Bauchschnitt. Die letzte Variante kommt aber bei komplizierten Fällen nicht zur Anwendung. Die meisten Patienten, die ich kenne haben daher einen Bauchschnitt erhalten.

Außerdem kann es vorkommen, dass auf beiden Seiten der Aorta geschnitten wird. Das sind aber seltene und komplizierte Eingriffe. Wenn du weitere Informationen dazu haben willst. Ist hier der Link zum Urologielehrbuch: https://www.urologielehrbuch.de/retroperitoneale_lymphadenektomie.html

Ein sehr interessantes Video zu der Roboter-Variante findet ihr im Urologenportal. Triggerwarnung: Es zeigt Aufnahmen aus dem Bauchinneren: https://www.urologenportal.de/fachbesucher/fuer-urologen/mediathek.

RLA-Operation Schnitt
RLA-Operation Schnitt. Ich erhalte die offene Variante links.

Vor der Operation erhalte ich optional noch eine sogenannte PDA (Periduralanästhesie) ins Rückenmark. Das ist ein Schmerzkatheter. Dieser gibt automatisch Schmerzmittel ab. Bei Bedarf kann ich die Dosis selbst per Pumpe erhöhen. Ich habe am Ende den Katheter doch nicht bekommen, weil es nicht so schlimm war.

Außerdem erhalte ich einen Blasenkatheter. Ich will das hier gar nicht genauer ausführen, weil mir schon davor graut. Es ist nicht sonderlich schmerzhaft, aber WER WILL BITTE EINEN SCHLAUCH IN SEINEM PENIS HABEN… Natürlich werde ich das auch überstehen und er bleibt nur 1-2 Tage drin. Update: Ich habe es damals gut überstanden. Aber ein Blasenkatheter bleibt komisch.

Wie lange dauert die Operation und die Heilung?

Insgesamt ist die Operation kompliziert. Sie ist aber nicht sehr gefährlich.

Die RLA-Operation selbst dauert zwischen 2 und 4 Stunden, je nachdem wie viele Lymphknoten entfernt werden und welche Variante gewählt wird.

Je nach Wundheilung wirst du zwischen 4 und 7 Tagen im Krankenhaus verbringen. Die ersten postoperativen Tage sind nervig. Zum Beispiel solltest du nicht zu viel Lachen oder Husten, weil das auf das Zwerchfell und die Bauchmuskeln geht. Du wirst es bereuen. Danach geht es an die Wundheilung und den Aufbau der Bauchmuskulatur. Ich werde auch eine Anschlussheilbehandlung (= Reha) beantragen.

Nach einer Woche solltest du keine Schmerzmittel mehr nehmen müssen. Ich habe diese nach etwa 6 Tagen abgesetzt. Es wird noch eine Weile ziehen (2-3 Wochen). Das Gefühl wird allerdings von Woche zu Woche deutlich besser. 

Die Clips oder Fäden der Wunde werden nach etwa 14 Tagen zogen. 

Sport der den Bauch belastet, ist erst nach 6 Wochen wieder erlaubt

Was sind potentielle Risiken einer RLA-Operation?

Ich habe oben die Komplikationen angesprochen. In der Tat gibt es gewissen Risiken bei einer retroperitonealen Lymphadenektomie. Zunächst sind hier die üblichen Verdächtigen bei einer Operation:

  • Verletzung der Nerven, dadurch kann es zu anhaltenden Gegenirritationen im Bauchbereich kommen)
  • Innere Blutungen (bei manchen liegt die Arterie in der Nähe)
  • Wundinfektionen / Wundheilungsstörungen
  • Verletzung der Nachbarorgane (Darm, Bauchspeicheldrüse)
  • Postoperativ: Thrombose

Eine Besonderheit ist die (geringe) Chance auf eine retrograde Ejakulation. Bei einer retrograde Ejakulation wird der Sperma in den hinteren Teil der Harnröhre, d.h. die Blase angegeben. Der Ausfluss kommt also nicht mehr aus dem Penis heraus. Der Orgasmus und das Gefühl bleibt bestehen, kann aber gedämpft sein.

Je nach Operationstyp, liegt die Change auf eine retrograde Ejakulation bei etwa 32%, wenn eine einseitge Operation vollzogen wurde. Hier ist eine Untersuchung von Dr. Gerdtsson: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31506250/

Verursacht wird diese Komplikation durch eine oft permanente Irritation der jeweiligen Nerven. Es gibt Methoden den Sperma herauszufiltern. Trotzdem ist es ratsam vor einer RLA-Operation die Spermien einzufrieren, falls dies noch nicht vor der Chemotherapie geschehen ist.

Psychologisch kann das problematisch werden, weil dadurch das Selbstbild des Mannes leidet.

Wie groß ist die Wunde nach dem Bauchschnitt?

Das kommt auf den Anzahl und Lage der Lymphknoten an. Bei mir ist die Narbe 14 cm lang und hört 5 cm über dem Bauchnabel auf. Ich kenne aber Patienten mit einem deutlich längeren Schnitt, der bist unter das Brustbein reicht. Dadurch kann die Narbe bis zu 25 cm lang werden.

Bei den meisten verheilt die Narbe gut. Ich habe allerdings Probleme bei der Narbenbildung, daher ist sie bei mir auch nach 6 Jahren noch gut sichtbar. 

offene RLA mit Bauchschnitt
Mein Bauch nach der offenen RLA-Operation mit Bauchschnitt

Wie gings mir nach der Operation? Was solltest du danach beachten

Den Bericht über den Verlauf meines Eingriffs finde ihr hier: Nach der Operation und die Zusammenfassung der Ergebnisse hier: Krebsfreie Zone

Was nach der Operation wichtig ist:

  • Du solltest frühzeitig mobilisiert werden. Das heißt ein Physiotherapeut wird dir zeigen, wie du über die Seite richtig aufstehst und den Bauch schonst. Frühe Bewegung ab dem 2-3 Tag ist sehr wichtig.
  • Die Drainagen werden ab dem 4-5 Tag gezogen, wenn kein Blut mehr raus kommt.
  • Ihr bekommt Heparinspritzen gegen Thrombose.
  • Schmerzen: Wie oben erwähnt bekam ich keinen Schmerzkathether. Sie wollten ihn einsetzen, haben sie dann aber aus Zeitgründen doch nicht gemacht. Ich erhielt in den ersten 2 Tagen Tramadol (ein leichtes Opiat). Das relativ stark reingehauen hat. Danach wurde auf leichtere Mittel umgestellt, die ich aber nach dem 6 Tag nicht mehr einnahm, weil der Schmerz erträglich war. 
  • Sport habe ich etwa 6 Wochen nach der Operation begonnen. Allerdings nur Fahrradfahren oder leichtes Joggen. Bauchmuskeltraining ist länger verboten (ich glaube mindestens 10 Wochen).
  • Ich hatte die Woche bis zum Ziehen der Clips ein abdominales Stützkorsett, weil die Clips immer an meiner Kleidung gezogen haben. Außerdem hat das Korsett auf Stoff mich stabilisiert.
    Abdominal Stützkorsett
    Abdominal Stützkorsett

Meine persönliche Gedanken und Erfahrungen vor der RLA-Operation:

Mich beunruhigte die Zeit nach der Operation, weil ich einerseits Bedenken vor der Wundheilung hatte (immerhin habe ich eine Maximalrunde PEB-Chemotherapie hinter mir) und andererseits meine Eingliederung in die Arbeitswelt später stattfand. Natürlich kostet mich das Geld, Projekte in der Arbeit werden verzögert und im Hinterkopf sind Zukunftsängste (Komplikationen, unklare Situation, ob der Krebs weg ist, Langzeitfolgen).

Gerade die Komplikationen müssen nicht eintreten, aber ich hätte auch keinen Hodenkrebs bekommen müssen oder die Chemo hätte alles vernichten können. Auf unwahrscheinliche Szenarien gebe ich im Moment nicht wirklich viel. Es passiert das, was passiert. Ich gebe natürlich nicht auf und mache die nötigen Therapien, aber ich habe keinen Bock bei jedem Schritt so zu tun, als ob alles gut ist und ich keine Angst habe.

Gleichzeitig habe ich mich bewusst dafür entschieden, die Operation durchzuführen, weil ich die „Offensive“ gehen wollte. Ich wollte dem potentiellen Krebs entgegen schreiten und klar wissen, ob noch Tumorreste vorhanden sind oder nicht. Ich hatte mir damals zwei Zweitmeinungen eingeholt und fast alle haben mir zu der Operation geraten.

Update 30.06. 2019 Erfahrungsbericht: 1 Jahr nach meiner Operation

Meine Operation liegt genau 1 Jahr zurück. Daher nutze ich die Gelegenheit und gehe auf meine Erfahrungen und Nebenwirkungen ein. Im Großen und Ganzen ist alles gut verlaufen. Der Eingriff bleib bisher die letzte Episode meines Kampfes gegen den Hodentumor. Ich hatte keine retrograde Ejakulationsprobleme und die Wundheilung verlief ohne größere Probleme.

Die Regenerationszeit meines Bauchschnitts lag bei etwa 3-4 Wochen. Danach war ich komplett schmerzfrei und konnte wieder alles im Alltag machen. Die ersten Jogging und Laufübungen habe ich nach 2,5 Monaten begonnen. Konkrete Bauchübungen habe ich aber erst nach 4-5 Monaten gemacht. Ich war sehr vorsichtig, weil ich keinen Narbenbruch riskieren wollte.

Heute spüre ich den Schnitt immer noch leicht. Er juckt ab und an. Außerdem habe ich eine starke Keloidbildung. Auch nach einem Jahr ist meine Narbe noch rot und leicht gewölbt. Ich hatte dieses Problem allerdings schon vorher. Meine schlechte Haut neigt zu dieser Überreaktion. Bei den meisten hat sich die Narbe nach 6-8 Monaten der normalen Hautfarbe angepasst und ist glatt.

Zusammenfassung zur RLA-Operation

  • Die RLA kann nötig sein, wenn nach der PEB-Chemotherapie in der Bildgebung (MRT) noch größere Raumforderungen oder vergrößerte Lymphknoten vorhanden sind.
  • Die RLA wird meistens durch einen Bauchschnitt mit 15 bis 25 cm Länge durchgeführt. Es gibt aber auch Varianten mit einem Roboter. Dadurch wird nur eine minimalinvasive Operation durchgeführt.
  • Während der Operation macht der Chirurg einen Schnitt im Bauchbereich, um Zugang zum retroperitonealen Raum zu erhalten. Die Lymphknoten werden sorgfältig entfernt, wobei darauf geachtet wird, die umliegenden Strukturen und Organe, wie die großen Blutgefäße und Nerven, nicht zu beschädigen.
  • Risiken und Komplikationen der RLA können Blutungen, Infektionen und mögliche Schäden an nahegelegenen Organen oder Nerven sein. Langfristige Komplikationen können unter anderem Lymphflüssigkeitsansammlungen oder Veränderungen der Ejakulation (retrograde Ejakulation) sein.
  • Die Wundheilung nach so einer Operation wird mit 4-6 Wochen angesetzt. 

Hast du Fragen zur RLA-Operation?

Kontaktiere mich unter patrick@krebskrampf.de.

Ich habe für diese Webseite Serverkosten von 140€ im Jahr. Daher freue ich mich über kleine Spenden, um die Seite am Laufen zu erhalten und zu verbessern. Wenn die Kosten gedeckt sind, wird der Rest an eine Krebsstiftung gespendet.

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