Chemo Tag 29: Chemoblues

Lesezeit: 3 Minuten
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Heute ist Mittwoch der 14.03.2018 und ich bin seit Montag wieder Zuhause. So langsam setzt der Chemoblues ein. Ich habe nach dem 2. Zyklus gemerkt, dass mein Körper die Zytostatika (= Heilmittel/Gift der Chemo) nur noch langsamer abbaut. Dadurch kommt es bei mir zu leichter Übelkeit, Verstopfung, Halsschmerzen oder Geschmacksveränderungen. Bestimmte Getränke (z.b. klares Wasser) oder Gemüsesorten schmecken anders und gerade nach der Chemo hatte ich einen Bleigeschmack im Mund. Auf dem Heimweg ekelte mir sogar vor meinem eigenem Speichel und gewisse Chemogaben bewirken Geschmäcker die bei mir Würgereiz auslösen. Während so einer Chemo entstehen bizarre Erfahrungen. Trotzdem will ich nicht meckern, weil sich die echten Nebenwirkungen noch völlig in Grenzen halten, bzw. keine der gefährlichen Nebenwirkungen aufgetreten sind. Immerhin konnte ich gestern meinen ersten Spaziergang machen, auch wenn ich nur 20 Minuten durchgehalten habe und war danach fertig war. Die Leistung wird sich in den nächsten Tagen aber hoffentlich steigern und die Müdigkeit und Schwäche werden abnehmen (bis zum nächsten Zyklus). Ich werde mich Zuhause regenerieren, um die nächsten Schritte in Angriff zu nehmen.

Doch will ich noch einige Worte zu meinem 2. Zyklus im Krankenhaus Benjamin Franklin verlieren, insbesondere dem Ort: der Onkologie (= Krebsstation). Meine letzten stationären Besuche waren in der Charité Mitte bei den Urologen. Dabei müsst ihr wissen, dass Krebsfälle auf der Urologiestation die Regel sind. Diese sind dann aber meist in einem sehr frühen Stadium. Zudem sind viele der urologischen Krebse (Prostata, Hoden) relativ gut behandelbar.

Auf einer Onkologiestation liegen hingegen alle Arten von Krebsfällen und sie erhalten oft schon eine Chemo. Daher trifft man Menschen in unterschiedlichen Zuständen samt ihren persönlichen Geschichten. Mein Nachbar war sehr freundlich und wir hatten das Glück, 5 Tage lang das Zimmer zu teilen. Er selbst kämpft schon seit 5-6 Jahren mit Krebs und schafft es hoffentlich (als er seinen 3. Zyklus machte, wurde seine Frau ebenfalls mit einer Krebsneudiagnose konfrontiert…). Er ist trotz alledem ein sehr positiver Charakter und hat mich inspiriert, die Hoffnung nicht aufzugeben. Am Sonntag musste ich allerdings umziehen und kam in ein Drei-Bett-Zimmer mit zwei älteren Herrn. Einer von ihnen hat durch Krebs ein Auge verloren und erfährt nun wie es weiter geht, während der andere ohne Magen mit Knochenkrebs kämpft. Beide waren nicht im Endstadium, aber es ist für jeden eine Belastung mit anderen in einem Zimmer zu liegen, wenn auch Nachts dauernd etwas passiert (meine Chemo ging bis um 12 Uhr nachts). Die Privatsphäre verschwindet und man wird gleichzeitig auf sich reduziert. Ich lag einfach da und habe die Stunden gezählt bis die Nacht vorbei geht. Ob ich richtig geschlafen habe, kann ich gar nicht sagen. Am Tag der Entlassung (Montag) kam es dann zu einigen Verzögerungen, die entstanden waren, weil zwei Patienten auf der Station Komplikationen bekamen. Der eine Krebspatient wurde mit Darmblutungen und einer starken Grippe eingeliefert, während der andere Patient auf die Intensivstation musste (ich weiß leider nicht warum, aber sowas hat immer schwerwiegende Gründe).

Die 6 Tage auf der Onkologie machten mir sehr schnell klar, dass das keine normale Krankenhausabteilung ist. Die ganze Atmosphäre drückt auf das Gemüt und ich habe mich gefragt, was ich mit 36 eigentlich hier mache. Ich hatte auch Angst, dass ich vielleicht im 3. Zyklus noch schwächer werde und wie lange ich sowas dann durchstehe, vor allem wenn es zu einer Hochdosis kommen sollte. Ich habe Leute getroffen, die ihre Chemo abgebrochen haben, weil sie es nicht mehr ausgehalten haben. Man stellt sich unweigerlich die Frage: wie viel nimmt man für sich in Kauf. Jede Schattenseite hat aber auch Licht: Die Ärzte und die Krankenschwestern sind nach wie vor die echten Helden für mich. Ihre Leistung auf so einer Station ist auch ohne Notfälle schon überragend, weil es in der Regel immer einen hohen Krankenstand unter den Angestellten gibt. Ich muss sagen, dass das Krankenhauspersonal meinen höchsten Respekt verdient hat.

 

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8 Gedanken zu „Chemo Tag 29: Chemoblues“

  1. Lieber Patrick,

    Danke für deine offenen Worte.
    Der Kampf mit sich selbst ist gewiss schwer. Ich glaube, so richtig lässt sich das für mich kaum nachvollziehen. Doch auch dieser schult, öffnet neue Wege und lässt dich stärker werden.
    Stärker, um es aus dieser Ohnmacht heraus diesem Bastard so richtig zu zeigen! Schön, dass Du so ein gutes Team hast, dem Du vertrauen kannst.

    Ich wünsche dir mit jedem Klick auf deinem Blog etwas mehr Stärke! Und so glaube ich, ich spreche für alle deine Leser, sind wir bei dir. Wenn nicht physisch dann virtuell! Denk immer dran, auch wenn’s mal schwer fällt, dass Du nicht allein bist!

    Much Respect &
    Stay Strong, Diggi!

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    • Danke für die Worte Robert 🙂 Ich hoffe, dass nun Halbzeit ist und meine Truppen die Verräter schlagen. Man weiß natürlich nie ganz genau, was passiert. Heimtücke ist die Waffe der Gegner. Aber am Ende gibt es auch in Berlin (und München) sicher ne Feier!

      Antworten
  2. Hallo Patrick,
    Ich bin der Vater von Philipp, der mit Deinem Bruder Michi befreundet ist. Wir werden ihn Ostern sehen. Philipp hat uns den Link geschickt. Ich bin betroffen. Aber ich finde es wichtig, dass Du über Deinen Hodenkrebs schreibst, für Dich, andere Betroffene und für nicht Betroffene. Ich hatte vorher keine Vorstellung davon, was das alles bedeutet. Du wirkst auf mich stark trotz der starken Belastungen, die Du während der Chemo ertragen musst. Und hast Gott sei Dank so tolle Untetstützung in der Charite. Was ich möchte ist: Dir viel Kraft wünschen und dass Du trotz der wahrscheinlich immer wiederkehrenden Tiefs weiterhin durch hälst.
    Dietmar

    Antworten
    • Ja, es ist ein langer Prozess. Aber ich darf mich glücklich schätzen, dass ich es bisher sehr gut Vertrage. Andere haben hier nicht so viel Glück. Trotzdem freue ich mich über den Kommentar. Mein Vater war ja auch beim Geburtstag von Philipp dabei und sagte, dass es ihm sehr gefallen hat.

      Danke für deinen Kommentar Dietmar 🙂

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  3. Hey Patrick,

    Uri hat mich auf Deinen Blog aufmerksam gemacht und nach der Lektüre hatte ich das Bedürfnis, Dir auch einen Kommentar zu hinterlassen.
    Ein sehr guter Freund von mir hatte Ende letzten Jahres mit 36 auch die Diagnose Hodenkrebs und ich weiss ansonsten fast garnichts darüber. Er ging damit auch sehr offen um, aber ich wusste nie, ob es angemessen ist, nachzufragen. Ich finde Den Weg Den du gewählt hast deshalb wirklich gut und Du musst nicht alles 20x erzählen.

    Golg, ich hoffe Du kommst aus diesem Albtraum bald wieder heraus und kannst es als Erfahrung abhaken, die Du echt nicht gebraucht hättest. Auf dem Turnbeutel meiner Tochter steht: What doesn’t kill you, gives you EP. Kämpf dich durch!

    Alles Gute für Dich

    Maurice aka rAiL~mO

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    • Hallo Maurice 🙂 Danke für deine Worte. Menschen und ihre Wege mit so einer Krankheit umzugehen sind unterschiedlich und es gibt viele Arten.Ich persönlich freue mich über nachfragen, andere wollen das eher nicht. Im Grunde sollte man einfach den Betroffenen direkt fragen, wie er damit umgehen will und auf seine Wünsche eingehen. Solange man da ist und ihm hilft, merkt man schon was gut ist.

      Wie geht es deinem Freund nun und ist er auch Fit? Weißt du ob er in einer gute Behandlung ist und wenn ja wo? Und grüße an Flo, Kaos, Uri und Philipp, falls die noch zocken. Zockt Flo noch?

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  4. Hey Patrick,

    ihm geht es inzwischen wieder sehr gut. Es gibt bei ihm nur noch Nachkontrollen und die sind bisher alle völlig unbedenklich. Er hatte wohl eine ziemlich seltene Variante (nur 16x dokumentiert), die nicht sehr bösartig ist.

    Ich denke die Grüße kommen auch so an, zumindest Kaos und Uri tummeln sich ja auf jeden Fall hier. Flo und Phillip hab ich zuletzt letztes Jahr gesehen und denen gehts (soweit ich das beurteilen würde ;)) sehr gut. Ich halte es auch für ziemlich unwahrscheinlich, dass Flo der Daddelei den Rücken kehrt; sofern seine Volleyballmädels nicht den Sprung in die Weltelite schaffen und er Vollzeit dem Trainerberuf nachgehen muss. 😛

    Um sicher zu gehen, hau ich die Grüße trotzdem noch an alle raus. Abschließend noch gz zum Zwischenstand: Die Tendenz stimmt! So soll es bleiben.

    So long

    Maurice aka rAiL~mO

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